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BGH zur Eigenbedarfskündigung bei Mischnutzung

Urteil v. 10.04.2024 - Az.: VIII ZR 286/22

Möchte der Vermieter die Räumlichkeiten sowohl zu Wohnzwecken als auch zur beruflichen Tätigkeit nutzen, wird das berechtigte Interesse an der Beendigung wohl ausreichen, da ihm bei verwehrter Nutzung ein Nachteil entstünde.

Die Beklagten wohnen seit 1977 in einer Wohnung in Berlin. Der Mietvertrag wurde erst später, mit Beginn zum 1. Juli 1982, geschlossen und sah eine Kündigungsfrist von 12 Monaten vor, wenn seit der Überlassung mehr als 10 Jahre vergangen sind. Im Juli 2013 wurde das Haus in Eigentumswohnungen aufgeteilt. Im Jahr 2018 erwarb der Kläger das Eigentum an der von den Beklagten bewohnten Wohnung. Im Jahr 2021 erklärte der Kläger unter Berufung auf die gesetzlichen Fristen die ordentliche Kündigung. Er begründete dies unter anderem damit, dass er die Räumlichkeiten künftig überwiegend für seine berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt nutzen wolle. Dies umfasse auch die Beschäftigung einer Teilzeitkraft und möglicherweise die Zusammenarbeit mit Berufskollegen. Darüber hinaus beabsichtigte der Kläger, dort seinen Wohnsitz zu begründen, nachdem das Mietverhältnis über seine bisherigen Kanzlei- und Wohnräume zu diesem Zeitpunkt endete. Dieser Wunsch stelle ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses dar („Betriebsbedarf“).

Das Berufungsgericht war der Ansicht, dass ein Anspruch des Klägers auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung nicht besteht. Die ordentliche Kündigung vom 24.01.2021 sei unwirksam, da der Kläger kein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses habe. Der Kläger begründete sein Interesse mit einer Mischnutzung der Wohnung als Wohnraum und Rechtsanwaltskanzlei. Nach Ansicht des Gerichts ist die Eigenbedarfskündigung jedoch unwirksam. Die Kündigung ist auch nicht gerechtfertigt. Laut BGH (VIII ZR 45/16) müssen bei der Abwägung der Interessen des Vermieters und des Mieters die jeweiligen grundrechtlich geschützten Interessen berücksichtigt werden. Dabei wird geprüft, ob der Vermieter die Räume überwiegend für Eigenbedarf oder wirtschaftliche Verwertung benötigt. In Fällen wie diesem, in denen der Vermieter die Räume nicht überwiegend zu Wohnzwecken, sondern für eine berufliche Nutzung verwenden will, wird dem Vermieter oft Vorrang eingeräumt. Eine andere Bewertung ist nur möglich, wenn der Nutzungswunsch des Vermieters ernsthaft und nachvollziehbar ist und ihm ein erheblicher Nachteil entstünde, wenn er die Räume nicht nutzen könnte. Da dies hier nicht der Fall ist, ist die Kündigung unwirksam, nach Ansicht des Berufungsgerichts. Da die Nutzung der Wohnung zu Wohnzwecken nicht völlig untergeordnet ist, wird die Kündigung des Klägers wie eine Eigenbedarfskündigung behandelt. In Berlin gilt jedoch eine zehnjährige Sperrfrist, die erst 2028 endet. Für die Wirksamkeit der Kündigung ist ein gewichtiger Nachteil des Klägers erforderlich, der hier nicht vorliegt. Daher überwiegt das Interesse der Beklagten am Fortbestand des Mietverhältnisses. Die Möglichkeit des Klägers, durch Untervermietung höhere Mieteinnahmen zu erzielen, rechtfertigt keine Beendigung des Mietverhältnisses. Zudem ist der Kläger nicht zwingend auf die streitbefangene Wohnung angewiesen; er könnte sein Konzept auch in einer anderen Wohnung umsetzen. Der wirtschaftliche Effekt beschränkt sich auf den Wegfall der bisherigen Mietkosten und der Mieteinnahmen.

Der BGH entschied, dass die Kündigung des Klägers nicht nur der Verwertung der Mieträume dient, sondern auch deren Nutzung für berufliche Zwecke umfasst, was sich von einer Verwertungskündigung unterscheidet. Eigenbedarf liegt nicht vor, da die geschäftliche Nutzung die private Wohnnutzung des Klägers überwiegt. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht das berechtigte Interesse des Klägers an der Kündigung verneint. Es legte fälschlicherweise fest, dass nur ein gewichtiger Nachteil des Klägers berücksichtigt werden könne, wegen der zehnjährigen Sperrfrist. Ein berechtigtes Interesse setzt voraus, dass der Vermieter nachvollziehbare und vernünftige Gründe für die Nutzung der Wohnung hat. Der ernsthafte Entschluss des Vermieters, die Mietwohnung nicht nur zu Wohnzwecken, sondern auch für eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit zu nutzen, hat eine größere Ähnlichkeit mit einer Eigenbedarfskündigung als mit einer Verwertungskündigung. In dem Fall nutzt der Vermieter sein Eigentum nicht nur geschäftlich, sondern möchte auch einen persönlichen Lebensmittelpunkt in der Wohnung schaffen.