Direkt zum Inhalt
Bild
Eiserner Steg, Brücke in Frankfurt am Main

Es muss ein Ruck durchs Land gehen

Liebe Mitglieder,

nicht erst seit dem Weltwirtschaftsforum in Davos, auf dem die globale Kräfteverteilung exemplarisch abzulesen war, stellt sich die Frage: Was ist los mit Europa? Während Amerika vor Selbstbewusstsein nur so strotzt, mit Indien ein aufstrebender Akteur einen immer prominenteren Platz im Welthandel beansprucht und die Chinesen systematisch und nahezu ungestört in weiten Teilen der Welt an Einfluss gewinnen, wandelt Europa im Halbschlaf vor sich hin. Fast scheint es so, als wolle sich die Politik damit zufriedengeben, dass unser Kontinent zum Freizeitpark für geschichtsinteressierte Touristen aus dem Rest der Welt wird.

Deutschland ist längst nicht mehr Lokomotive des Kontinents, vielmehr ist es zum Bremsklotz geworden. Und obwohl sich dieser Umstand herumgesprochen haben sollte, diskutieren wir hierzulande über die Einführung der Vier-Tage-Woche und über die sogenannte Work-Life-Balance, die sogar jene für sich in Anspruch nehmen, die gerade erst ins Berufsleben einsteigen. Das sehr typische deutsche Bürokratie-Unwesen gibt all denen, die die Ärmel hochkrempeln möchten, den Rest. Viele Ehrgeizige suchen ihr berufliches Glück inzwischen im Ausland, die anderen arbeiten lieber gleich beim Staat. Die Politik konzentriert sich derweil darauf, immer neue absurde Steuern zu ersinnen. So etwa Wirtschaftsminister Habeck, der auf die Idee kam, die mühsam erworbenen, schon zweimal besteuerten Sparguthaben der Bürger auch noch mit Sozialabgaben zu belegen.

Welche Blüten die Bürokratie hierzulande treibt, erlebt Haus & Grund Frankfurt am Main derzeit am eigenen Leib. Ein Mietshaus, das unserem Verein gehört und in einem der Frankfurter „Milieuschutzgebiete“ liegt, muss gedämmt werden. Die von uns angestrebte Dämmung der Fassade geht über die Mindestanforderungen des Gebäudeenergiegesetzes hinaus – wonach lediglich eine Dämmung von 12 Zentimeter zulässig wäre – damit wir eine erhebliche BAFA-Förderung in Anspruch nehmen können. Die Stadt Frankfurt fordert aufgrund der „Milieuschutzsatzung“ für eine Baugenehmigung der energetisch viel besseren Maßnahme allerdings zwingend die Inanspruchnahme eines städtischen Förderprogramms. Dieser Zuschuss kann wiederum nur bewilligt werden, wenn die Mieten dauerhaft gedeckelt würden. Unser Ansinnen, die energetisch bessere und durch die BAFA geförderte Dämmung von 16 Zentimeter vorzunehmen, wurde städtischerseits nicht genehmigt. Der Clou kommt noch: Das städtische Verbot wurde auch noch aufrechterhalten, als Haus & Grund Frankfurt als Bauherr mitteilte, die stärkere Dämmung nicht zum Anlass von Mieterhöhungen zu nehmen. Die bessere Dämmung würde den Mietern zusätzlich auch höhere Ersparnisse bei den Nebenkosten bringen. Die Stadt Frankfurt zwingt Haus & Grund somit, diese Angelegenheit gerichtlich entscheiden zu lassen, anderenfalls könnte Vorstand und Geschäftsführung unter Umständen treuwidriges Verwenden des Vereinsvermögens vorgehalten werden. So sieht also die Unterstützung der Stadt für engagierte Bauherren aus, die sich für eine energetische Verbesserung der alten Gebäudesubstanz einsetzen und Mieter langfristig beim Energiesparen unterstützen wollen. Und das ist nur ein Beispiel für die vielen Bürokratiequalen, denen sich die Eigentümer von Bestandswohnraum ausgesetzt sehen.

Wie soll man unter solchen Umständen an die Versprechungen der Politik glauben, die Bürokratie abzubauen und die Schaffung von Wohnraum – insbesondere bezahlbarem – anzukurbeln? Viel eher ist man geneigt, von einer karnevalistisch-surrealen Performance der Politik zu sprechen, jetzt leider auch wieder im Hessenland: Während der Ministerpräsident erfreulicherweise den Bürokratieabbau zum wichtigen Ziel seiner Regierung erhoben hat, kündigt einer seiner Minister ein von Fachleuten als neues Bürokratie-Monstrum bezeichnetes „Leerstandsgesetz“ an, mit dem angeblich spekulativer Leerstand unterbunden werden soll, das aber vor allem für eine weitere bürokratische Belastung auf Seiten der Eigentümer sorgt. Es verwundert nicht, dass sich unter diesen Umständen immer mehr Projektentwickler und private Bauherren aus dem Markt verabschieden. Im Neubau sind fast nur noch Unternehmen der öffentlichen Hand tätig. Und dann wundern sich die Bedenkenträger noch, dass jene Bürger, die keine Wohnung finden, Parteien vom linken und rechten Rand wählen, wie die F.A.Z. neulich unter Verweis auf eine Umfrage von Forsa berichtete.

All das trägt dazu bei, dass nur 16 Prozent der Deutschen im Land eine Aufbruchstimmung verspüren. Wir brauchen endlich einen Ruck im Land, und zwar einen kräftigen.

Ihr

Jürgen Conzelmann