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Eiserner Steg, Brücke in Frankfurt am Main

Wohnungspolitischer Hoffnungsschimmer am Horizont?

Liebe Mitglieder,

 

es gibt sie noch, die politischen Überraschungen: Auf einmal kommt aus einer Ecke, die uns Vermietern traditionell am Zeug flicken möchte, eine kluge und freundliche Bemerkung. In einer Talkshow hat neulich der Generalsekretär der SPD, Kevin Kühnert, doch tatsächlich gesagt, dass man unterscheiden müsse zwischen den guten und nachhaltigen Vermietern, die beispielsweise beim Vermieterverein Haus & Grund organisiert seien, und jenen, die Vermietung hochspekulativ betrieben.

Nun muss man sich keine Sorgen machen, dass der Mann die Fronten wechselt. Da Lernprozesse in der Politik höchst selten vorkommen, ist dieser Fall jedoch ausdrücklich zu loben. Kevin Kühnert ist ja noch ein verhältnismäßig junger Mann, der zugleich den Sturm und Drang der politischen Jugend schon hinter sich gelassen hat. In dieser Lebensphase, so darf man wohl unterstellen, misstraut man einerseits unverrückbaren ideologischen Glaubensbekenntnissen und ist andererseits noch nicht in Meinungsritualen gefangen, die sich in jahrzehntelanger Praxis oft ausprägen. Kühnert hat jetzt nach einem realistischen Blick auf die Zahlen und die Umstände offenbar erkannt, dass, falls die Politik die Wohnungsfrage nicht alsbald in den Griff bekommt, die politischen Ränder hiervon maßgeblich profitieren werden. Dann wird seiner Partei auch das übliche Vermieterbashing nichts mehr nützen, wonach alle, die eine Wohnung vermieten, verantwortlich sind für den massiven Mangel an bezahlbaren Mietwohnungen, insbesondere in den Großstädten. Und dass sie zusätzlich belastet werden sollen, um Mieterhöhungen zu vermeiden.

Um zu solchen Ansichten zu kommen, muss man vieles ausblenden. Man nehme nur die Frage, wieso es einen Investitionsstillstand auch im Wohnungsbestand gibt. Dabei wird gern ausgeblendet, dass die energetische Ertüchtigung für viele Wohnungseigentümer nicht finanzierbar ist (was in vielen Fällen sogar schon vor der jüngsten Verdoppelung von Renovierungs- und Sanierungskosten der Fall war). Wenn dann noch die Forderung laut wird, die Umlagefähigkeit von Modernisierungs- und energetischen Sanierungsmaßnahmen zu reduzieren, und weitere Belastungen der Vermieter beschlossen werden, dann weiß jeder, der rechnen kann, dass das System nicht mehr funktionieren kann. Durch falsche politische Entscheidungen und durch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist der Mietwohnungsmarkt endgültig in Schieflage geraten. Bei einer Kostenmiete von etwa 20 Euro bei normalem Standard ist eine Investition in den Neubau von Mietwohnungen für niemanden mehr lohnend, erst recht kann sich das kein Normalbürger leisten, der etwa seine Altersversorgung mit einem Mietzinshaus absichern möchte. Damit fehlen aber auf dem Wohnungsmarkt zunehmend gerade jene Vermieter, die an einer nachhaltigen Beziehung zu ihren Mietern interessiert sind. Und wie sollen im Übrigen junge Familien, die ihren Traum vom Haus oder von einer Neubauwohnung aufgegeben haben und sich allenfalls eine Bestandswohnung leisten können, ihren Wunsch nach Wohneigentum überhaupt noch erfüllen, wenn die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verboten wird. Dazu kommt: Möchten sie in Eigentum investieren, müssen junge Familien im Schnitt ein Eigenkapital in Höhe von 108.000 Euro aufbringen, wovon für Grunderwerbsteuer, Notar und Umschreibung im Schnitt 35.000 bis 45.000 Euro draufgehen.

Das von der neuen hessischen Landesregierung bereitgestellte „Hessengeld“ (10.000 Euro je Käufer für die erste selbstgenutzte Immobilie plus 5000 Euro je Kind) ist zwar eine nette Geste, die Summe wird aber über zehn Jahre gestaffelt ausgezahlt. Es gibt also nach wie vor eine hohe Eintrittshürde für die Bildung von Wohnungseigentum, was dazu beiträgt, dass sich der Wohnungsmangel noch verschärft. Ich frage zum wiederholten Male, wann die Politik sich endlich zusammenrauft und alle Möglichkeiten ausschöpft, zu effizienten und schnellen Lösungen zu kommen. Die Reformen würden mit der Einführung eines digitalen Bauantragsverfahrens beginnen. Überhaupt müsste die Organisation in der Verwaltung verbessert werden. Zudem müssten Genehmigungsverfahren für die Aufstockung von Gebäuden und den Ausbau von Dachgeschossen beschleunigt werden, damit durch Nachverdichtung endlich vergleichsweise günstige Wohnraumpotentiale gehoben werden können.

Genauso wünschenswert sind Erleichterungen beim Umbau von Büros zu Wohnungen; da sollte sich die Verwaltung im Einzelfall kulant zeigen, etwa eine großzügigere Ausnutzung eines Grundstücks oder Erleichterungen bei Brand- und Schallschutz ermöglichen, die bei vielen Projekten die Kosten in die Höhe treiben. All dies gilt insbesondere auch für denkmalgeschützte Gebäude, deren Sanierung durch vermeintlich kleine Vorgaben der einschlägigen Ämter massiv erschwert und verteuert wird. Zudem wäre es gut, wenn sich die Einstellung einiger Ämter zu Fragen auskömmlicher Rendite bei Vermietungen verändern würde. Es kann nicht sein, dass Vermieter auf eigens eingerichteten Online-Portalen ohne Weiteres angeschwärzt werden können, während einige Mieter ihre Wohnung zu deutlich höheren Preisen untervermieten, sei es dauerhaft oder über Airbnb. Diese Entwicklung führt dazu, dass viele Mieter ihren Mietvertrag nicht mehr kündigen, was den Wohnungsmangel verstärkt.

In Hessen ruht immerhin ein Stück Hoffnung auf dem neuen, für unsere Sache zuständigen Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori. Bei der letzten Wohnungs-Konferenz in Frankfurt hat sich der Sozialdemokrat in einer Weise geäußert, die darauf hindeutet, dass er die Situation auf dem Wohnungsmarkt realistisch betrachtet und sich an den richtigen Stellen engagieren möchte. Hoffentlich lässt er seinen Worten Taten folgen, anderenfalls wäre die Lage in dieser sozial- und gesellschaftspolitisch so bedeutenden Frage tatsächlich dramatisch. Aber wir alle wissen ja: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

 

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Jürgen Conzelmann