BGH: Zur Zustimmung bei Veräußerung
Urteil v. 22.03.2024 - Az. V ZR 141/23
Sofern die Gemeinschaftsordnung vorsieht, dass zur Veräußerung einer Eigentumswohnung die „Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer“ vorliegen muss, muss eine Klage auf Zustimmung zur Veräußerung gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gerichtet werden. Das gilt auch für Vereinbarungen, die vor der WEG-Reform 2020 getroffen wurden.
Die Klägerin und die Beklagte sind Mitglieder einer verwalterlosen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Laut der Teilungserklärung von 2001 benötigen Wohnungseigentümer zur Veräußerung ihres Wohnungseigentums die Zustimmung der anderen Eigentümer, die nur aus wichtigem Grund verweigert werden darf. Ein Verwalter ist nicht erforderlich. Die Klägerin veräußerte ihr Wohnungseigentum am 17. November 2021 per notariellem Kaufvertrag an eine Erwerberin, jedoch verweigerte die Beklagte die Zustimmung zur Veräußerung. Das Amtsgericht gab der Klage der Klägerin auf Genehmigung der Veräußerung statt. Auf Berufung der Beklagten hin wies das Landgericht die Klage ab. Nun strebt die Klägerin mit der vom Landgericht zugelassenen Revision die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung an.
Das Berufungsgericht hält die Klage für unbegründet, weil die Beklagte für die Zustimmung zur Veräußerung nicht passivlegitimiert ist. Stattdessen muss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) in Anspruch genommen werden. Die Teilungserklärung von 2001 ist im Lichte der neuen Gesetzesfassung (§ 47 WEG) auszulegen. Obwohl der Wortlaut zunächst auf eine individuelle Zustimmung aller Wohnungseigentümer hinweist, war 2001 die Rechtsfähigkeit der GdWE noch nicht anerkannt. Vereinbarungen müssen daher an das neue Recht angepasst werden, so das Landgericht. Die Zustimmung zu einer Veräußerung des Wohnungseigentums ist als Verwaltungsmaßnahme des gemeinschaftlichen Eigentums zu sehen, für die die GdWE zuständig ist (§ 18 Abs. 1 WEG). Die Gemeinschaft wird durch das Zustimmungserfordernis davor geschützt, dass das Wohnungseigentum an einen unzuverlässigen Erwerber gelangt.
Nach Ansicht des BGH erfolgte die landgerichtliche Entscheidung ohne Rechtsfehler, die Beklagte war nicht passivlegitimiert. Möglich ist eine Vereinbarung darüber, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums die Zustimmung anderer Wohnungseigentümer oder eines Dritten benötigt. Eine solche Vereinbarung findet sich in der Teilungserklärung. Wer zustimmungsberechtigt ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich bewertet. Schon unter dem bisherigen Recht war umstritten, ob alle Wohnungseigentümer individuell zustimmen mussten oder ob ein Mehrheitsbeschluss der übrigen Wohnungseigentümer ausreichte. Dieser Streit setzte sich nach der WEG-Reform fort.
Nach der Ansicht, welcher das Berufungsgericht gefolgt ist und der sich auch der BGH anschließt, ist eine Teilungserklärung wie im Ausgangsfall so zu verstehen, dass die Zustimmung durch die GdWE zu erfolgen hat. Für diese Ansicht spricht ganz entscheidend, dass nach der WEG-Reform die Aufgaben und Befugnisse der GdWE neu geregelt wurden. Danach wurde die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums im Innen- wie auch im Außenverhältnis ausschließlich der GdWE zugewiesen. Der Begriff der Verwaltung im Sinne von § 18 Abs. 1 WEG ist weit zu verstehen. Hierunter fallen alle Entscheidungen und Maßnahmen, die in rechtlicher wie auch tatsächlicher Beziehung zur Gemeinschaft oder dem Gemeinschaftsvermögen stehen.
Nach diesem Grundsatz muss die Erteilung einer Zustimmung zur Veräußerung eine Maßnahme zur Verwaltung des Gemeinschaftseigentums darstellen. Diese betrifft das Innenverhältnis der Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Schutzzweck von § 12 Abs. 1 WEG dient dem Schutz der Eigentümer vor dem Eintritt eines unerwünschten Dritten in die Gemeinschaft, der möglicherweise persönlich oder finanziell unzuverlässig ist. Dies gilt auch dann, wenn die Vereinbarung vor der WEG-Reform 2020 getroffen wurde. Grundsätzlich kann sich die Auslegung des Inhalts einer Teilungserklärung im Laufe der Zeit verändern, insbesondere dann, wenn sich die Bedeutung der Begriffe gewandelt hat. In Fällen, in denen durch die Änderung rechtlicher Verhältnisse eine Lücke entsteht, ist es möglich, diese durch ergänzende Auslegung zu schließen. Daher ist auf Grundlage des geltenden Rechts davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall die Gemeinschaft zustimmungsberechtigt ist und nicht der Einzelne.