Eigenbedarfskündigung
In seinem Urteil (Az. VIII ZR 144/19) setzt sich der Bundesgerichtshof mit der Abwägung der Interessen des Vermieters und der Mieter im Rahmen einer Eigenbedarfskündigung auseinander. Die Eigenbedarfskündigung ist ein Instrument des Vermieters die Mieter im Rahmen eines Wohnraummietverhältnisses ordentlich zu kündigen, wenn er die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.
Dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Beklagten bewohnen seit dem 19. Juli 2010 ein im ersten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses gelegene Vierzimmerwohnung zur Miete. Die Kläger erklärten gegenüber den Beklagten die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 31. Oktober 2017 wegen Eigenbedarfs. Die Kündigung hatten sie damit begründet, dass sie die Wohnung für sich, ihre drei Kinder und die Mutter der Klägerin benötigten und mithin die Wohnung im ersten Obergeschoss und im Dachgeschoss zu einer Einheit verbinden wollten. Die Kläger bewohnen zu diesem Zeitpunkt selbst eine Mietwohnung, die sie zum 31. Mai 2017 gekündigt hatten und dann zunächst in die leerstehende Dachgeschosswohnung einzogen. Die Beklagten widersprachen der Kündigung und beriefen sich auf das Vorliegen von Härtegründen.
Sowohl die erste als auch die zweite Instanz hatten die Klage des Vermieters auf Räumung und Herausgabe der Wohnung abgewiesen. Die erste Instanz begründete dies damit, dass die Eigenbedarfskündigung rechtsmissbräuchlich gewesen sei, weil der Kläger durch Ankauf der Liegenschaft den Eigenbedarf selbst herbeigeführt hätte und sie ihren Wohnbedarf durch die Dachgeschosswohnung und unter Nutzung einer von mehreren in den erworbenen Anwesen befindlichen Ferienwohnung ohne wesentliche Abstriche hätte decken können. Die zweite Instanz hat diese Rechtsmissbräuchlichkeit zwar nicht mehr gesehen, aber dafür den Härteeinwand der Beklagten bestätigt.
Der BGH hat in seinem Urteil beiden Begründungen eine Absage erteilt. Insoweit hat der BGH noch einmal klargestellt, dass der Kündigungsgrund des Eigenbedarfs nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass die Kläger diesen durch den Erwerb der an die Beklagten vermieteten Wohnung selbst verursacht haben. Eine entgegenstehende Beurteilung würde die garantierte Befugnis (14 Abs. 1 GG) des Eigentümers missachten, sein Leben unter Nutzung seines Eigentums nach seiner Vorstellung einzurichten. Insoweit konnten die Kläger auch nicht auf die Ferienwohnung verwiesen werden, da diesbezüglich auch der Nutzungswunsch des Eigentümers zu achten sei. Der BGH hat in diesem Zusammenhang sowohl den Wunsch die zwei Wohnungen zu einer Einheit zusammenzufügen als auch die gewerbliche Nutzung der Ferienwohnung als nachvollziehbar angesehen.
Hinsichtlich der Auffassung der zweiten Instanz, dass die Beendigung des Mietverhältnisses für die Beklagten und für Ihre in Ihrem Haushalt lebenden fünf Kinder eine Härte bedeuten würde (§§ 547 Abs. 2 BGB), macht der BGH deutlich, dass eine schablonenartige Bewertung nicht ausreichend ist. Vielmehr müssen im Rahmen einer sorgfältigen Tatsachenfeststellung alle für die Abwägung maßgeblichen Interessen beider Seiten erfasst werden. Insoweit reicht die bloße Feststellung von “Kinderreichtum“ und die pauschale Darstellung erfolgloser Bemühung um eine Ersatzwohnung nicht aus, solange dies nicht anhand weiterer Kriterien beurteilt wird. Der BGH führt hierzu aus, dass eine Ersatzwohnung angemessen ist, wenn sie im Vergleich zu der bisherigen Wohnung den Bedürfnissen des Mieters entspricht und sie finanziell für ihn tragbar ist. Dabei sind die Lebensführung des Mieters und seine persönlichen und finanziellen Lebensverhältnisse maßgebend. Die Wohnung muss allerdings dem bisherigen Wohnraum weder hinsichtlich ihrer Größe, ihres Zuschnitts oder ihrer Qualität noch nach ihrem Preis vollständig entsprechen. Gewisse Einschnitte sind dem Mieter vielmehr zuzumuten. Leben im Hause des Mieters Angehörige mit eigenem Einkommen, ist die Suche nach angemessenen Ersatzwohnraum grundsätzlich auch auf solche Wohnung zu erstrecken, die mit dem Haushaltseinkommen finanziert werden können, wobei auch zu berücksichtigen ist, ob der Mieter eine Ersatzwohnung erstmals oder in höherem Umfang Sozialleistungen (insbesondere Wohngeld) erhalten würde.
Wie so oft ist eine pauschale Beantwortung des Einzelfalls kaum möglich, da häufig jede Wohnungseigentümergemeinschaft individuelle Regelungen in der Teilungserklärung hat. Fragen Sie sich, ob solche Maßnahmen im Rahmen der Eigentümerversammlung entschieden werden können? Wir beraten Sie gern zum Beispiel vor Ort in den Sprechstunden der Verbandsjuristen in Ihrem Ortsverein.