Änderung der TA Lärm
Berlin, Juni 2024
Stellungnahme zur Änderung der TA Lärm vom 24.Mai 2024
Die geplanten Änderungen durch den Referentenentwurf der zweiten Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) zielen darauf ab, die hohe Nachfrage nach Wohnraum in städtischen Gebieten zu bedienen und die nachhaltige Flächenentwicklung zu fördern. Zu den wesentlichen Änderungen gehören die Einführung einer befristeten Sonderregelung mit höheren nächtlichen Immissionsrichtwerten für urbane, Kern- und Mischgebiete sowie allgemeine Wohngebiete, die an gewerblich oder industriell genutzte Flächen angrenzen. Darüber hinaus werden Immissionsrichtwerte für dörfliche Wohngebiete festgelegt und redaktionelle Fehler sowie Verweise auf veraltete Normen korrigiert.
Die vorgeschlagenen Anpassungen bieten sowohl Chancen für eine effizientere Nutzung städtischer Flächen als auch Herausforderungen durch erhöhte Schallschutzanforderungen und mögliche langfristige Unsicherheiten.
Die Erhöhung der Immissionsrichtwerte ist grundsätzlich problematisch, da diese Anpassung die Lebensqualität der Bewohner beeinträchtigt und dem Verursacherprinzip widerspricht. Eine klar definierte und strikte Einhaltung von Außenpegeln ist weiterhin notwendig. Dem Verursacherprinzip entsprechend müssen Lärmschutzmaßnahmen vorrangig beim Emittenten erfolgen. Passiver Schallschutz sollte nur ergänzend und nicht als Hauptmaßnahme betrachtet werden. Nur vor dem Hintergrund des Heranrückens von Wohnbebauung an bereits lärmbelastete Lagen erscheinen die angestrebten Änderungen der TA Lärm zielgerichtet.
Im Folgenden bewerten wir diese Aspekte ausführlich und analysieren die potenziellen Konsequenzen für die privaten Eigentümer sowie die nachhaltige Stadtentwicklung und den Lärmschutz.
Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen
Die vorgeschlagenen Änderungen der TA Lärm sind grundsätzlich positiv zu bewerten, da sie auf eine nachhaltige Stadtentwicklung abzielen und notwendige Anpassungen und Flexibilisierungen vorsehen. Wichtig ist jedoch, dass diese Maßnahmen nicht zu Lasten des Lärmschutzes für die Anwohner gehen und langfristig die Lebensqualität erhalten bleibt.
Die Betonung auf nachhaltige Flächenentwicklung nach dem Prinzip „Innen- vor Außenentwicklung“ ist positiv, da sie hilft, Zersiedlung und Funktionsverlust vorzubeugen, den Flächenverbrauch zu minimieren und bestehende Infrastrukturen besser zu nutzen.
Die Anerkennung der Zielkonflikte bei der Planung von neuem Wohnraum in der Nähe von Lärmquellen ist wichtig. Es zeigt ein Bewusstsein für die Herausforderungen, die mit der innerstädtischen Verdichtung einhergehen.
Einführung einer Sonderregelung für
heranrückende Bebauung (Nummer 7.5)
Aus der Perspektive privater Eigentümer, die regelmäßig eher kleinere Bauvorhaben durchführen, bieten die Änderungen der TA Lärm sowohl Vorteile als auch Herausforderungen. Die Möglichkeit, höhere Immissionsrichtwerte anzuwenden, und die Förderung der Innenentwicklung bieten Chancen für die Nutzung neuer Flächen und die Schaffung attraktiver Wohnprojekte. Gleichzeitig stellen die erhöhten Baukosten und der zusätzliche Planungsaufwand erhebliche Herausforderungen dar.
Haus & Grund Deutschland regt daher an, dass nicht alle vier Voraussetzungen für höhere Immissionsrichtwerte gleichzeitig erfüllt werden müssen – sofern durch vorrangige Maßnahmen des Lärmschutzes (Nutzungszuordnungen, aktiver Schallschutz, Baukörperstellung und Grundrissgestaltung) allein ein gleiches Maß an geforderten Lärmschutz realisieren können.
Zu Absatz 1 Nummer 1
Die Betonung von nachhaltiger Stadtentwicklung und die systematische Planung heranrückender Wohnbebauung durch die Aufstellung von Bebauungsplänen ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Dies fördert eine geordnete und umweltgerechte Stadtentwicklung. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Erstellung eines Bebauungsplans für kleinere Grundstücke und Vorhaben oft unverhältnismäßig teuer und bürokratisch aufwendig ist. Die hohen Planungskosten und der damit verbundene bürokratische Aufwand lohnen sich meist nur für größere Projekte. Um auch kleinere Vorhaben zu ermöglichen und somit die Nachverdichtung und effiziente Nutzung innerstädtischer Flächen zu unterstützen, fordert Haus & Grund Deutschland flexible Lösungen und vereinfachte Verfahren. Diese sollten weniger kosten- und zeitintensiv sein, um eine umfassende und praktikable Umsetzung der Nachverdichtungsziele zu gewährleisten.
Zu Absatz 1 Nummer 2
Die Einführung spezieller Fensterkonstruktionen wie das „Hamburger Fenster“, die sowohl Lärmschutz als auch ausreichende Luftzufuhr gewährleisten, erlaubt eine flexible Anpassung an die urbanen Gegebenheiten und unterstützt die Erhöhung der Immissionsrichtwerte. Diese technologischen Entwicklungen sind in der Regel effektiv und haben vor allem für kleinere Vorhaben eine erhebliche Relevanz, um Lärmschutzvorgaben zu erfüllen.
Die verpflichtende Implementierung von speziellen Schallschutzfenstern und anderen baulichen Maßnahmen erhöht jedoch die Baukosten erheblich. Die geschätzten Mehrkosten von 2.000 bis 3.000 Euro pro Wohnung sind mit hoher Wahrscheinlichkeit angesichts stetig steigender Baukosten nicht haltbar. In den vergangenen 5 Jahren (2019 bis 2023) sind die Preise für Fenster ca. 38 Prozent gestiegen. Setzt sich diese Preisentwicklung fort, bedeutet das in fünf Jahren schon Mehrkosten von 2.760 bis 4.140 Euro. Für Bauherren und Investoren können sie eine erhebliche zusätzliche finanzielle Belastung darstellen und die Wirtschaftlichkeit von Bauprojekten beeinträchtigen. Insbesondere in Gebieten mit geringem Investitionspotenzial könnte die zusätzliche finanzielle Belastung dazu führen, dass Bauprojekte nicht realisiert werden. Die Baubehörden sind dafür verantwortlich, sicherzustellen, dass die festgelegten baulichen Schallschutzmaßnahmen umgesetzt werden. Dies erfordert zusätzliche Kontrollen und administrative Ressourcen, was den Verwaltungsaufwand erhöhen kann.
Durch Lärmschutzmaßnahmen beim Emittenten, die geschickte Anordnung von Gebäuden, Nutzung von Lärmschutzwänden und andere bauliche Vorkehrungen wie lärmabschirmende Grundrissorientierungen können Lärmbelastungen in neuen Wohngebieten effektiv reduziert werden, ohne die Baukosten unverhältnismäßig zu erhöhen. Daher ist besonders wichtig, dass alle bestehenden Instrumente der Lärmbewältigung, insbesondere aktive Schallschutzmaßnahmen, ausgeschöpft werden müssen, bevor passive Maßnahmen in Erwägung gezogen werden.
Zu Absatz 1 Nummer 3
Die Bedingung, dass Bebauungspläne lärmgeschützte Freiflächen vorsehen müssen, auf denen die Tagrichtwerte eingehalten werden, ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Die Einhaltung der Tagrichtwerte in Freiflächen trägt erheblich zur Aufenthaltsqualität bei. Bewohner können Balkone, Terrassen und Grünflächen nutzen, was die Akzeptanz und Lebensqualität in den Quartieren steigert. Dies entspricht der Auffassung von Haus & Grund Deutschland, dass stets Außenpegel festgelegt werden müssen, um ein Mindestmaß an Aufenthaltsqualität sicherzustellen und ein lebenswertes Quartier zu gewährleisten.
Allerdings bringt diese Anforderung auch Herausforderungen mit sich, insbesondere durch erhöhte Planungs- und Baukosten sowie den zusätzlichen Flächenbedarf. Für private Bauherren, die kleinere Projekte durchführen, wird dies eine signifikante finanzielle und administrative Belastung darstellen.
Zu Absatz 1 Nummer 4
Es ist besonders begrüßenswert, dass alle bestehenden Instrumente der Lärmbewältigung, insbesondere aktive Schallschutzmaßnahmen, ausgeschöpft werden müssen. Dies steht im Einklang mit dem Prinzip, dass der Lärmschutz vorrangig beim Emittenten erfolgen soll. Diese Betonung des Vorrangs aktiver Maßnahmen ist ein positiver Schritt, um das Verursacherprinzip zu wahren. Gemeinschaftliche passive Maßnahmen verhindern zudem Schallschutzmaßnehmen an jedem einzelnen Wohngebäude. Dennoch besteht durch Nummer 2 (Fensterkonstruktionen) die Gefahr, dass es in der Praxis zu einer Verschiebung der Verantwortung für den Lärmschutz von den Emittenten auf die Gebäudeeigentümer führen könnte. Haus & Grund Deutschland lehnt diese Verlagerung ab, da sie die Aufenthaltsqualität außerhalb der Gebäude verringern und dem Verursacherprinzip widersprechen würde.
Zu Absatz 2
Die vorgeschlagene Erhöhung der Nacht-Immissionsrichtwerte sieht Haus & Grund Deutschland kritisch, da sie die Lebensqualität der Bewohner beeinträchtigen könnte. Zwar erkennt die angestrebte Regelung die Bedeutung von Freiflächen tagsüber für gesunde Wohnverhältnisse an, insbesondere für Kinder, und schützt diese Bereiche, jedoch verlagert sie die Schallschutzverantwortung auf die Gebäudeeigentümer. Diese Erhöhung der Immissionsrichtwerte und Verlagerung der Verantwortung sind nur vor dem Hintergrund des Heranrückens von Wohnbebauung an lärmbelastete Gebiete vertretbar, um die Mobilisierung von Flächenpotenzialen für den Wohnungsbau zu ermöglichen.
Einführung des dörflichen Wohngebietes (Nummer 6.1 Absatz 1 Buchstabe e)
Die Einführung des dörflichen Wohngebietes in die TA Lärm ist eine sinnvolle und notwendige Anpassung an die BauNVO, die spezifische Immissionsrichtwerte festlegt und somit den Lärmschutz in diesen Gebieten gewährleistet. Dies fördert die nachhaltige Entwicklung und trägt zur Klarheit und Transparenz der Lärmschutzanforderungen bei. Haus & Grund Deutschland begrüßt diese Anpassung, da sie den Schutz der Wohnqualität unterstützt und eine geordnete und umweltgerechte Entwicklung ländlicher Gebiete ermöglicht.
Allerdings sind als dörfliches Wohngebiet gemäß § 5a Abs. 2 Nr. 3 BauNVO auch Kleinsiedlungen zulässig. Durch die Einführung neuer Immissionsrichtwerte für das dörfliches Wohngebiet kann es in der Praxis zu Streitigkeiten über die zulässigen Schallwerte kommen. In dörflichen Wohngebieten sollen zukünftig höhere Werte tag/nachts von 57/42 dB(A) erlaubt werden, während nach bisheriger Regelung (Nummer 6.1 Abs. 1 Buchstabe e) in allgemeinen Wohngebieten und Kleinsiedlungsgebieten nur 55/40 dB(A) zulässig sind.
Damit es nicht zu einer Verschlechterung der Aufenthaltsqualität in bestehenden Kleinsiedlungen kommt, plädiert Haus & Grund Deutschland dafür, in Kleinsiedlungen die geltenden geringeren Schallimmissionsrichtwerte tags/nachts von 55/40 dB(A) zu belassen. In der neuen Nummer 6.1 Abs. 1 Buchstabe e) sollte daher der Hinweis „mit Ausnahme von Kleinsiedlungen“ ergänzt werden.