Elementarschadenversicherung
Berlin, März 2024
Stellungnahme zum Antrag der Fraktion der CDU/CSU Elementarschadenversicherung fit für die Zukunft machen (BT-Drs. 20/8732)
Vorbemerkungen
Eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden verhindert keinen Schadensfall. Dass erst gar keine Schäden entstehen oder diese zumindest minimiert werden, ist jedoch die eigentliche Aufgabe der Politik. Eine Versicherung ist die Linderung von Symptomen, nicht die Heilung. Deshalb lehnt Haus & Grund die Einführung einer Versicherungspflicht ab.
Elementarschadenversicherungen sind ein sinnvolles Produkt, um Eigentümer vor hohen finanziellen Verlusten zu schützen. Durch die steigenden Anforderungen an Gebäudeeffizienz und Gebäudetechnik steigen auch die Schadensummen nach Unwetterereignissen stetig an. Haus & Grund empfiehlt Eigentümern daher den Abschluss einer Elementarschadenversicherung.
Die jüngsten Großschadensereignisse haben gezeigt, dass die erlittenen Verluste nicht in Geld, zum Beispiel durch eine Versicherung, aufgewogen werden konnten. Die Betroffenen haben im schlimmsten Fall Familienmitglieder, Nachbarn und Freunde verloren. Gegenstände von persönlichem Wert wie Erinnerungsstücke sind unwiederbringlich zerstört und das Vertrauen in den Schutz ihrer Umgebung ist erschüttert. Insofern greift die Diskussion um die Einführung einer Versicherungspflicht zu kurz. Im ersten Schritt muss der Präventionsgedanke aufgegriffen werden. Erst wenn ausreichende Schutzmaßnahmen ergriffen wurden – allem voran kommunale Schutzmaßnahmen wie die Einrichtung von Rückhaltebecken, die Vorhaltung von Flächen zum Rückhalt von Niederschlagswasser oder die Erhöhung von Dämmen kann über die Optimierung des Versicherungsschutzes nachgedacht werden. Auch Gebäudeeigentümer müssen im Zuge von Instandhaltungen und Modernisierungen an die Resilienz ihrer Gebäude denken und die Ausführung entsprechend planen.
Eine Pflichtversicherung würde zunächst die Kosten des Wohnens weiter erhöhen. Sie käme ergänzend zu den nach wie vor hohen Energiepreisen sowie zu einer im internationalen Vergleich hohen Steuer- und Abgabenbelastung. Allein die Reform der Grundsteuer wird für viele Haus- und Wohnungseigentümer die finanzielle Belastungsschraube stark erhöhen. Hinzukommen derzeit hohe und überdurchschnittlich stark steigende Preise für Instandhaltungen. Kostenbelastungen noch größeren Ausmaßes entstehen durch die Modernisierungszwänge in Folge der Energiewende und des demografischen Wandels. Vor diesem Hintergrund plädiert Haus & Grund Deutschland dafür, dass der Staat alles unterlässt, was die Kostenbelastungen für Hauseigentümer weiter erhöht.
Zum Antrag der CDU/CSU Fraktion:
In der aktuellen Diskussion zur Einführung einer Elementarschadenpflichtversicherung begrüßt Haus & Grund den Gedanken der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die Versicherungsquote zu erhöhen und gleichzeitig den Staat als Rückversicherer in einem risikobezogenen Prämiensystems zu etablieren. Der Ansatz des Präventionsgedankens ist jedoch bei Weitem nicht ausreichend implementiert. Dieser muss in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt werden. Flankierend kann dann über die Erhöhung der Versicherungsquote und die Steuerung der Kostenbelastung durch den Staat als Rückversicherer nachgedacht werden.
1. Planungsträger in den Ländern sensibilisieren und Staatshaftungsregelungen in Bezug auf Baugebietsausweisung in Risikogebieten konkretisieren
Gebäudeeigentümer haben ein Interesse daran, Schadenfälle zu vermeiden. Schon deswegen werden sie Maßnahmen ergreifen, um die Resilienz ihrer Gebäude zu verbessern. Prävention muss aber primär durch geeignete Schutzmaßnahmen in der Gemeinde geleistet werden. Dazu muss allen Beteiligten das Risiko bewusst sein. Es bedarf unter anderem folgender Maßnahmen:
▪ Einführung einer öffentlich einsehbaren Risikoanalyse
▪ Planungsrechtliche Prävention durch die Länder und Gemeinden
▪ Bauverbote in hochgefährdeten Gebieten, Versickerungsflächen, Dammerhöhungen etc.,
▪ Gebäudetechnische Prävention durch Gebäudeeigentümer im Zuge bei der Erneuerung von Bauteilen oder erstmaligen Einbau technischer Anlagen
▪ Qualifizierung und Sensibilisierung für Naturgefahren bei Baugewerbe und Handwerkern
▪ Ausnahmen von der Pflicht zur energetischen Modernisierung der Bestandsgebäude in Hochrisikogebieten. Da die Wahrscheinlichkeit eines Risikoeintritts hoch ist, ist es wirtschaftlich nicht sinnvoll, teure Ertüchtigungsmaßnahmen an der Gebäudehülle und -technik zu verlangen. Die Beteiligung der Bestandshalter am Klimaschutz erfolgt über die CO2-Abgabe.
2. Angebot einer Elementarschadenversicherung mit Opt-Out
Die Idee, die Zahl der Elementarschadenversicherungen durch Nudging zu erhöhen, ist im Vergleich zum Zwang zu bevorzugen, da die Eigentümer nach Belehrung über die Konsequenzen die Zusatzversicherung ablehnen können. Bei Umsetzung einer solchen Lösung müsste jedoch sichergestellt werden, dass bei der Umstellung von Altverträgen die Vertragsbestimmungen der Gebäudeversicherung nicht zu Lasten der Eigentümer angepasst werden dürfen.
Außerdem sollten vor allem diejenigen Eigentümer adressiert werden, die in hochgefährdeten Regionen wohnen. Dabei ist sicherzustellen, dass:
▪ Gebäudeeigentümer in hochgefährdeten Gebieten einen Versicherungsschutz erhalten können, wenn sie beispielsweise wegen eines Schadensereignisses gekündigt wurden
▪ und dieser Versicherungsschutz bezahlbar ist.
3. Staat als Rückversicherer
Die Forderung nach einer solidarischen Elementarschadenpflichtversicherung erscheint nur auf den ersten Blick eine Lösung zu sein, um den Kostendruck einer solchen Versicherung für Eigentümer mit Objekten in Hochrisikogebieten zu verringern. Tatsächlich würde diese zu einer hohen finanziellen Belastung für alle privaten Gebäudeeigentümer führen. Dies liegt daran, dass ein Großteil der Kosten durch die Prämien für die Rückversicherung entsteht. Versicherungen versichern das abzudeckende Risiko ihrerseits regelmäßig bei einer Rückversicherung. Dadurch gelingt es den Erstversicherern insbesondere bei Großschadensereignissen solvent zu bleiben. Die Kosten für Rückversicherer steigen seit Jahren, denn deren Prämien bemessen sich am weltweiten Schadensgeschehen. Da das Risiko von Naturkatastrophen und Schäden an Gebäuden weltweit zunimmt, steigen auch die Prämien für die Erstversicherer. Diese Kostenlast wird an die Versicherten weitergegeben. Das solidarische System führt also dazu, dass am Ende jeder einzelne Pflichtversicherte die hohen Kosten der Rückversicherung tragen muss, unabhängig davon, wie groß das eigene zu versichernde Risiko ist. In der Folge werden die individuellen Kosten für den einzelnen Versicherten durch die vergrößerte Zahl an Versicherten nicht verringert, im Gegenteil: Sie steigen und mit ihnen die Wohnkosten für alle Bürgerinnen und Bürger. Insofern ist der Ansatz, dass der Staat im Zuge einer Stop-Loss-Regelung als Rückversicherer einspringt, zu begrüßen. Dadurch dürfte das Kostenrisiko der Versicherten sinken. Dann können auch risikobasierte Prämien für das jeweils zu versicherndem Risiko wieder realistisch abgebildet werden.
4. Elementarschadenversicherungen erhöhen die Kosten des Wohnens auch für Mieter
Die Kosten des Wohnens steigen durch eine Elementarschadenversicherung, auch für Mieter. Diese Kosten fallen als Bewirtschaftungskosten an und werden regelmäßig als Betriebskosten von den Mietern bezahlt. Die vermeintliche Lösung zur Entlastung der Mieter, die Umlagefähigkeit der Elementarschadenversicherung zu streichen, offenbart die völlige Unkenntnis von der Bewirtschaftung von Immobilien. Denn wenn die Versicherungen keine Betriebskosten wären, müssten sie mit der Miete bezahlt werden. Eine Miete wiederum muss so kalkuliert sein, dass sie wirtschaftlich ist. Aus ihr sind Steuern, Instandhaltung, Verwaltung und Modernisierungen zu finanzieren. Sogar die Regelungen des sozialen Mietrechts müssen so ausgestaltet sein, dass die Miete gewährleistet ist. Andernfalls wird das Eigentum wirtschaftlich ausgehöhlt. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zulässig.
Schon jetzt ist das Zusammenspiel mit den komplexen mietrechtlichen Anforderungen für private Vermieter kaum noch wirtschaftlich zu verkraften. Laut aktueller Vermieterbefragung von Haus & Grund Deutschland (hausund.co/vermieterbefragung) verzeichnen nur ein Drittel der vermietenden Privatpersonen einen Einnahmeüberschuss. Bei über 50 Prozent unterschreiten oder decken die Einnahmen die jährlichen Ausgaben bei der Vermietung.
Dies verdeutlichen auch die Zahlen aus der letzten umfassenden Erhebung des Statistischen Bundesamtes von 2018. Danach gab es insgesamt 5,5 Millionen Steuerpflichtige, die Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung generierten. Von den 5,5 Millionen Steuerpflichtigen machten 22 Prozent jährliche Verluste in Höhe von durchschnittlich 2.092 Euro (Median).
Die restlichen 78 Prozent erzielten im Schnitt steuerpflichtige Gewinne in Höhe von 3.790 Euro im Jahr (Median). Die Komplexität und die fehlenden wirtschaftlichen Freiräume führen auch dazu, dass sich vermietende Privatpersonen aus dem Mietwohnungsmarkt zurückziehen. Das kann so nicht gewollt sein, denn während der private Vermieter gewinnorientiert handelt, verfolgen unternehmerische Investoren sicher gewinnmaximierende Strategien. Fehlende Rentabilität durch steigende Betriebskosten führt zu einer Reduzierung des Angebots auf dem Mietwohnungsmarkt und damit zu weiter steigenden Wohnkosten für Mieter und Wohnungssuchende.
Im Übrigen profitieren Mieter auch regelmäßig von der Elementarschadenversicherung. Nur in dem Fall, dass das Gebäude beseitigt und neuerrichtet werden muss, hat der Mieter grundsätzlich keinen Anspruch auf Wiedereinzug zu gleichen Bedingungen. In der Regel führen die Schäden aber nicht zum totalen Verlust der Immobilie. Die Versicherung kommt vielmehr für die Kosten notwendiger Reparaturen auf, was Mietern unmittelbar zugutekommt.