Gebäudetyp-E-Gesetz
Berlin, August 2024
Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus
Haus & Grund Deutschland begrüßt das Bestreben der Bundesregierung, das Bauen mit der Einführung eines Gebäudetyps E einfacher und kostengünstiger zu machen. Ein wesentlicher Grund für Baukostensteigerungen besteht darin, dass die Rechtsprechung auf Normungen zur Bestimmung für die Mangelfreiheit eines Bauwerks maßgeblichen anerkannten Regeln der Technik zurückgreift, deren Einhaltung mit zunehmenden Kostensteigerungen verbunden ist. Normungen haben eine hohe Relevanz, aber nur einen Empfehlungscharakter, denn die maßgeblichen Fachausschüsse sind privatrechtlich organisiert. Insbesondere gibt es keine Regelungen über die Zusammensetzung der Fachleute in den zuständigen Gremien. So kann nicht transparent sichergestellt werden, dass technische Lösungen gesucht werden, die auch unter den Aspekt der Wirtschaftlichkeit und des Nutzwerts gemeinhin Anerkenntnis finden.
Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat den Referentenentwurf zur Einführung des Gebäudetyp E vorgelegt und um Stellungnahme gebeten. Geändert wird ausschließlich das im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelte Werkvertragsrecht. Die Regelungen bleiben hinter den Forderungen der Wohnungswirtschaft zurück, das Ausufern der DIN-Normungen als Mindeststandard der anerkannten Regeln der Technik einzudämmen, da ein weiteres Ausufern mit enormen Kostensteigerungen verbunden ist. Der Ansatz, eine Vermutungswirkung zur Konkretisierung der anerkannten Regeln der Technik einzuführen, ist gut. Es fehlt aber an den notwendigen Definitionen.
Bereits mit der Novelle der Musterbauordnung haben die Länder die Möglichkeit, den Gebäudetyp E in die Bauordnung einzuführen. Hier geht es im Wesentlichen um die Vereinfachung der bauordnungsrechtlichen Anforderungen an das Gebäude. Einige Länder, wie etwa der Freistaat Bayern und Schleswig-Holstein, haben dies bereits in der Bauordnung umgesetzt. Flankierend ist das Bauvertragsrecht zu ändern, da Abweichungen von den anerkannten Regelungen der Technik die Mangelfreiheit des Gebäudes betreffen. Leider wird versäumt, die von den Baukammern der Oberlandesgerichte zuletzt aufgeworfene Frage, inwieweit DIN-Normen die Vermutung in sich tragen, die anerkannten Regeln der Technik darzustellen, auch für das Mietrecht zu regeln. Denn wenn bauvertraglich von den allgemeinen Regeln der Technik abgewichen werden kann, solange die Sicherheit des Gebäudes nicht gefährdet wird, ohne dass dies zwangsläufig einen Sachmangel begründet, dann muss das auch im Mietrecht gelten. Denn auch hier greifen die Gerichte bei der Beurteilung, ob Mangel vorliegt, auf die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik zum Errichtungszeitpunkt bzw. Instandhaltungszeitpunkt zurück. So können insbesondere beim Lärmschutz unterschiedliche Standards einschlägig sein. Wenn der Gesetzgeber erkennt, dass es ein Regelungsbedürfnis im Bauvertragsrecht gibt, kann er es im Mietrecht aber nicht der Rechtsprechung überlassen.
Zu den einzelnen Regelungen:
1. §650a Abs. 3 BGB-Ref-E – Anerkannte Regeln der Technik
Der Begriff der anerkannten Regeln der Technik – obwohl maßgeblich für die Bestimmung der Mangelfreiheit – ist gesetzlich nicht bestimmt. Im Bauvertragsrecht wird nun die Vermutung eingefügt, dass „bautechnische Normungen, die sicherheitstechnische Festlegungen enthalten, anerkannte Regeln der Technik sind“. Hingegen soll es sich bei bautechnischen Normungen, die reine Ausstattungs- und Komfortmerkmale abbilden, nicht um anerkannte Regeln der Technik handeln (§650a Abs. 3 BGB-Ref-E).
Haus & Grund Deutschland begrüßt diesen Ansatz. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind sie Mindeststandard zur Bestimmung des Werksolls, soweit nicht vertraglich eine andere Beschaffenheit vereinbart wurde. Zur Bestimmung der anerkannten Regeln der Technik greift die Rechtsprechung regelmäßig auf die DIN-Normen zurück. Viele DIN-Standards verteuern aber das Bauen. Insoweit ist es erforderlich, dass der Gesetzgeber eine Abgrenzung vornimmt, indem er eine gesetzliche Vermutung einfügt. Die Abgrenzung von sicherheitstechnischen Normen und Normen, die die Ausstattung und den Komfort festlegen, überlässt der Entwurf aber wieder den Gerichten. Es wäre wünschenswert, die Begriffe deutlicher auszufüllen. Denn gerade bei Normungen, die verschiedene Merkmale ausfüllen, muss zunächst die Rechtsprechung abgewartet werden, um Rechtsklarheit zu erhalten.
Es ist nicht erforderlich, dass der Gesetzgeber sicherheitsrelevante Normungen bestimmt oder klassifiziert. Standards müssen sich weiterentwickeln können. Das Gesetzgebungsverfahren ist dafür zu unflexibel und langwierig. Der Gesetzgeber kann aber definieren, was sicherheitsrelevante Standards umfassen müssen, für die die Vermutung gilt, dass diese allgemein anerkannten Regeln der Technik abbilden. Sollen etwa nur Festlegungen zu Statik und Brandschutz als sicherheitsrelevante Standards greifen oder sind weitere Bereiche erfasst (Anlagesicherheit, Funktionssicherheit von Anlagen, elektrische Sicherheit o. Ä.).
2. §650o Abs. 1 und 2 BGB-Ref-E – Beschaffenheitsvereinbarung
Die Regelung sieht vor, dass durch Beschaffenheitsvereinbarung von den allgemein anerkannten Regelungen der Technik – also sicherheitsrelevanten Festlegungen – abgewichen werden kann. Ist der Besteller ein fachkundiger Unternehmer, muss er nicht über die damit verbundenen Risiken aufgeklärt werden. Die Regelung findet also nur zwischen fachkundigen Unternehmern Anwendung. Das Gesetz selbst sieht keine weitere Definition des fachkundigen Unternehmers vor. Laut Entwurfsbegründung soll es sich um Verträge zwischen Unternehmen der Bau – und Immobilienbranche handeln, wobei der Unternehmer selbst oder ein Angestellter über eine technische Ausbildung verfügen und die einschlägigen anerkannten Regeln der Technik des Baugewerbes kennen muss. Dies ist aus Sicht von Haus & Grund Deutschland nicht ausreichend, denn der Begriff des Unternehmers im Sinne des §14 BGB ist in der „Immobilienbranche“ nicht geklärt. In Deutschland verfügen privaten Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer über rund 33,3 Millionen Wohnungen, also über 80,6 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes. Sie bieten 66 Prozent aller Mietwohnungen an und stehen für 76 Prozent des Neubaus von Mehrfamilienhäusern.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verbraucher anzusehen, auch wenn einzelne Wohnungen nicht selbst genutzt, sondern vermietet werden (BGH, Urteile vom 25. März 2015 VIII ZR 243/13, VIII ZR 360/13, VIII ZR 109/14).
Von der Vermietung einer Eigentumswohnung abgesehen kann ein Vermieter Unternehmer sein, muss jedoch nicht. Nach §14 Absatz 1 BGB ist Unternehmer eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Der Begriff des Gewerbes stimmt dabei weitgehend mit dem im Handelsrecht überein. Gewerbe ist eine rechtlich selbstständige, planmäßig und auf Dauer angelegte und äußerlich erkennbar auf mindestens einem Markt hervortretende Tätigkeit. Keine gewerbliche Tätigkeit ist nach der Rechtsprechung die bloße Verwaltung eigenen Vermögens. Von einer gewerblichen Tätigkeit ist auszugehen, wenn Art und Umfang der mit der Vermögensverwaltung verbundenen Geschäfte eine Komplexität erreicht haben, die einen planmäßigen Geschäftsbetrieb erfordert. Wann dies bei der Vermietung von Immobilien der Fall ist, ist in erster Linie eine Frage des Einzelfalls und wird von der untergerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt. So hat das AG Hannover bei der Vermietung von sieben Wohnungen die Unternehmereigenschaft des Vermieters bejaht (AG Hannover, Urteil vom 24. September 2009, Az.: 414 C 6115/09, Juris), während das LG Waldshut-Tiengen bei der Vermietung von acht Wohnungen noch von einer Vermögensverwaltung ausgeht (LG Waldshut-Tiengen, Urteil vom 30. April 2008, Az.: 1 S 27/07, Juris).
Zwar muss auch noch die Fachkunde hinzukommen, möglicherweise genügt es aber, dass irgendein Angestellter über eine entsprechende Ausbildung verfügt, beispielsweise ein Hausmeister. Gerichte könnten private Vermieter als Unternehmer der Immobilienbranche ansehen. Sie wären dann nicht geschützt. Es bedarf aus Sicht von Haus & Grund Deutschland daher einer rechtlichen Klarstellung.
3. §650o Abs.1 und 3 BGB-Ref-E – Sachmängelhaftung bei fehlender Beschaffenheitsvereinbarung
Nach dem Entwurf soll eine Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik dann keinen Mangel darstellen, wenn sich das Bauwerk für die gewöhnliche Verwendung eignet und der Unternehmer den fachkundigen Unternehmer als Besteller widerspruchslos auf die abweichende Ausführung hingewiesen hat. Im Wesentlichen verweisen wir auf die Ausführungen zur Beschaffenheitsvereinbarung.