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Wissenswertes

Wahlkampfgetöse und Mietpreisbremse

Der Landtagswahlkampf ist im vollen Gange. Das hat die Diskussion zum Thema bezahlbarer Wohnraum im Landtag letzten Donnerstag gezeigt. Dabei wurde wieder gefordert die Mietpreisbremse erneut einzuführen. Diese Regelung hatte die Landesregierung zum 30. November 2019 abgeschafft.

Die Befürworter der Mietpreisbremse behaupten, diese sei geeignet, rasant steigende Mieten zu stoppen und zu verhindern, dass sich Menschen die Miete nicht mehr leisten könnten. Da erweckt der Begriff „Mietpreisbremse“ auf den ersten Blick den Eindruck, das richtige Instrument zu sein, um diese Probleme zu lösen. Wie so oft, zeigt ein genauerer Blick auf das Thema, dass der erste Eindruck täuschen kann.

Zunächst stellt sich die Frage, ob wir in Schleswig-Holstein tatsächlich „rasant steigende“ oder gar explodierende Mieten, wie auch teilweise behauptet wird haben. Dabei müssen wir zwischen den Mieten in bestehenden Mietverhältnissen und Mieten, die bei neu abgeschlossenen Mietverhältnissen vereinbart werden, differenzieren.

In Schleswig-Holstein gibt es keine empirischen Daten zur Entwicklung der Mieten in bestehenden Mietverhältnissen. Allerdings verhindert hier bereits das bestehende Mietrecht, Mieten stark steigen zu lassen (vgl. § 558 BGB). Darüber hinaus spricht auch die Vermieterstruktur gegen explodierende Mieten im Bestand. Zwei Drittel der Mietwohnungen werden von privaten Kleinvermietern angeboten, die im laufenden Mietverhältnis die Mieten kaum oder gar nicht erhöhen (siehe „Hintergrundpapier zur Revision des Verbraucherpreisindex für Deutschland 2019“ des Statistischen Bundesamtes).

Die Entwicklung der Neuvertragsmieten in Schleswig-Holstein untersucht die Investitionsbank (IB.SH) in ihrem Mietenmonitoring. Bei der letzten Untersuchung kam die IB.SH zu folgendem Ergebnis:

„Der Anstieg der Neuvertragsmieten hat sich mit durchschnittlich 2,9 Prozent in Schleswig-Holstein im Vergleich zum Vorjahr (4,9) stark abgeschwächt. Er liegt auch erstmals seit 2016 unter dem Fünfjahresdurchschnitt von 3,1 Prozent. Das sind die Ergebnisse des Mietenmonitoring der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) für 2020.“

Spannend ist daran, dass sich der Mietanstieg nach Wegfall der Mietpreisbremse verlangsamt hat!

Infolgedessen können wir erst einmal festhalten, dass die Gründe, warum wieder eine Mietpreisbremse eingeführt werden soll, gar nicht vorliegen. Die Mieten in Schleswig-Holstein steigen weder rasant noch explodieren diese.

Fraglich ist aber noch, ob die Mietpreisbremse Menschen mit geringen Einkommen helfen könnte, eine bezahlbare Wohnung zu bekommen. Dafür müssen wir einmal genauer betrachten, wie die Mietpreisbremse funktioniert (vgl. § 556d BGB). Im Geltungsbereich der Mietpreisbremse, zum Beispiel bis zu deren Außerkrafttretens in Kiel, durfte der Vermieter bei Abschluss eines neuen Mietvertrages maximal 10 Prozent mehr Miete verlangen als die sogenannte ortsübliche Vergleichsmiete. Die ortsübliche Vergleichsmiete wird in Kiel über den Mietspiegel dargestellt Daraus ergibt sich für alle Kommunen ein Problem, die über keinen Mietspiegel verfügen, da dort Mieter und Vermieter die ortsübliche Vergleichsmiete kaum ermitteln können.

Was heißt es zum Beispiel für Kiel ganz konkret, wenn die Mietpreisbremse gelten würde? Ich habe folgendes Beispiel im Kieler Mietspiegel (Dafür gibt’s hier einen Rechner) zugrundgelegt: Lage: Ravensberg, Baujahr des Wohngebäudes vor 1918, 75 m², modernisierte Sanitäreinrichtung und Elektroinstallation, Fenster nach 2016 erneuert, hochwertige Kücheneinrichtung, nicht barrierearm, keine Gartennutzung, hochwertiger Fußbodenbelag, Wohnung liegt nicht im Erdgeschoss)

Miete laut Mietspiegel: 9,48 €/m² nettokalt oder 710,64 € bei 75 m²

10 % = 0,95 €/m² oder 72,01 €

Höchstzulässiger Mietpreis bei Neuvermietung: 10,43 €/m² oder 782,65 €.

Eine geförderte Wohnung (sozialer Wohnungsbau) kostet hingegen 6,10 €/m² oder in diesem Fall bei 75 m² = 457,50 €. (siehe: Leitfaden für soziale Wohnraumförderung der IB.SH).

Die rhetorische Frage lautet dann: Inwiefern führt die Mietpreisbremse zu bezahlbarem Wohnraum für die Zielgruppe mit geringem Einkommen, wenn sozialer Wohnungsbau 4 €/m² günstiger ist?

Jetzt könnte man einwenden, die Mietpreisbremse hilft den Menschen, die sich so gerade eben 10,43 €/m² Wohnfläche leisten können, aber nicht 11, 12 oder 13 €/m². Das Problem dabei ist, dass es andere Mietinteressenten geben wird, die sich aber auch diese Mieten leisten könnten. Der Vermieter wird sich, wenn er nicht die marktübliche Miete verlangen kann, seine Mieter genau ausfallen, um nicht das Risiko eines Mietausfalls einzugehen. Das heißt, er wählt den zahlungsfähigsten Mietinteressenten aus. Das ist dann aber nicht derjenige, der sich die Wohnung gerade so eben leisten kann. Die Mietpreisbremse hilft also auch dieser Gruppe an Mietinteressenten keineswegs. Darüber hinaus „sponsert“ die Mietpreisbremse die Mietinteressenten, die sich auch eine höhere Miete leisten könnten. Der Wohnungsmarkt kommt folglich weiter durcheinander. Schließlich investieren gerade private Kleinvermieter weniger in ihre Wohnungen. Wie oben dargestellt, erhöht diese Vermietergruppe die Miete kaum in laufenden Mietverhältnissen. Nach Beendigung eines Mietverhältnisses (im Schnitt alle zehn Jahre) investierten diese Vermieter in ihre Wohnung (Malerarbeiten, Küche, Bad, Elektrik, Fenster) und nehmen dann die marktübliche Miete, damit sich diese Investition rechnet. Mit der Mietpreisbremse rechnen sich diese Investitionen folglich nicht mehr.

Ich war neulich in Lissabon. Dort sind viele Häuser verfallen. Das liegt laut Reiseführer daran, dass dort über Jahrzehnte eine Mietpreisbremse galt. Ich hoffe, dass wir ähnliche Zustände hierzulande nicht bekommen.

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