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Verkauf von Gewerbeeinheiten
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Verkauf von Gewerbeeinheiten in einer Eigentümergemeinschaft

Unterlagen müssen einsehbar sein

Mit seinem Urteil vom 15. September 2023 (V ZR 77/22) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass der Verkäufer einer Immobilie bei Bereitstellung von Unterlagen seine vorvertragliche Aufklärungspflicht nur dann erfüllt, wenn er davon ausgehen kann, dass der Käufer von den offenbarungspflichtigen Umständen auch Kenntnis nimmt.

 

Im entschiedenen Fall hatte die Klägerin Eigentum an mehreren Gewerbeeinheiten in einer Eigentümergemeinschaft erworben. Während der Vertragsverhandlungen im März 2019 versicherte die Verkäuferin, dass in der Vergangenheit keine Beschlüsse durch die Eigentümer gefasst worden seien, aus denen sich zukünftige Sonderumlagen für die Käuferin ergeben.

 

Drohende Sonderumlage nur aus digitalem Protokoll ersichtlich

Erst drei Tage vor dem Notartermin stellte die Verkäuferin das Protokoll einer Eigentümerversammlung vom November 2016 in einen digitalen Datenraum ein, welcher für die Zurverfügungstellung von Kaufunterlagen genutzt wurde. Daraus ergab sich, dass den Eigentümern der Gewerbeeinheiten aus geplanten Umbauarbeiten eine Sonderumlage von bis zu 50 Millionen Euro drohte. Ein darüber geführtes Verfahren endete erst im Januar 2020 – also nach Kaufvertragsschluss zwischen Klägerin und Beklagter – mit einem Vergleich: Eine Sonderumlage von den Eigentümern der Gewerbeeinheiten dürfte in Höhe von zunächst 750.000 Euro – bei Bedarf jedoch von bis zu 50 Millionen Euro – erhoben werden. Auf Basis dieses Vergleichs wurde die Klägerin dann auch zur Zahlung einer Sonderumlage in Anspruch genommen.

 

Die Klägerin focht daraufhin den Kaufvertrag über die Immobilie an und erklärte hilfsweise den Rücktritt vom Vertrag. Sie fühle sich arglistig getäuscht, da sie von der drohenden hohen Sonderumlage bei Kauf keine Kenntnis gehabt habe. Die Beklagte argumentierte, sie habe alle notwendigen Unterlagen in den digitalen Datenraum eingestellt. Dies genüge der vorvertraglichen Aufklärungspflicht.

 

Verkäufer muss über drohende Zahlungsverpflichtungen informieren
Der BGH entschied entgegen den Ansichten der vorherigen Instanzen, dass die Beklagte im Rahmen der Vertragsverhandlungen ihre vorvertragliche Aufklärungspflicht verletzt habe. Diese Aufklärungspflicht der Verkäuferin habe im vorliegenden Fall darin bestanden, die Käuferin über die ausstehenden baulichen Maßnahmen verbunden mit den daraus folgenden Kosten von bis zu 50 Millionen Euro zu informieren. Eine Aufklärungspflicht bestehe laut BGH unabhängig davon, dass die drohenden Kosten größtenteils von anderen Eigentümern getragen werden sollten und eine Sonderumlage zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen noch nicht beschlossen gewesen sei. Denn solange die geplanten baulichen Maßnahmen nicht umgesetzt und bezahlt worden seien, habe für die Klägerin als künftige Eigentümerin mehrerer Gewerbeeinheiten das konkrete Risiko bestanden, dass die hierfür anfallenden Kosten anteilig von ihr getragen werden müssen.

 

Käufer muss Schriftstücke nicht auf Mängel des Kaufobjekts untersuchen

Zur Erfüllung der Aufklärungspflicht über diesen Umstand genüge es nicht, dass lediglich das Protokoll mit den notwendigen Informationen in einen virtuellen Datenraum eingestellt worden sei. Die Möglichkeit des Käufers, sich selbst Kenntnis von offenbarungspflichtigen Umständen zu beschaffen, schließe die Pflicht des Verkäufers zur Offenbarung nicht von vornherein aus.

 

Bei einer Besichtigung eines Objekts könne der Verkäufer zwar davon ausgehen, dass erkennbare Mängel am Kaufobjekt dem Käufer ins Auge fallen und eine gesonderte Aufklärung nicht notwendig sei. Konstellationen, bei denen dem Käufer die Möglichkeit zur Kenntnisnahme auf andere Weise gegeben werde, stünden einer Besichtigung jedoch nicht gleich. Denn der Käufer müsse zur Verfügung gestellte Unterlagen zum Kaufobjekt nicht ohne Weiteres auf Mängel am Kaufobjekt überprüfen. Die Verkäuferin hätte die Käuferin gesondert aufklären müssen.

 

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