Wärmeplanung
Berlin, Juni 2023
Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze der Bundesregierung vom 18. August 2023
Zusammenfassung
Kommunale Wärmepläne und die Pläne zur Transformation von Gas- und Stromnetzen sind der richtige Weg
hin zur Umstellung auf eine klimaneutrale Wärmeversorgung der Gebäude. Denn Haus- und
Wohnungseigentümer müssen für ihre eigene Investitionsentscheidung wissen, ob ihr Gebäude zukünftig
besser zentral über ein Wärmenetz oder dezentral über eine eigene Anlage mit grünem Gas oder Wasserstoff,
mit Wärmepumpe oder einem Biomassekessel oder anderweitig klimaneutral beheizt werden kann. Haus &
Grund begrüßt daher, dass mit dem vorliegenden Entwurf für ein Wärmeplanungsgesetz (WPG) eine
flächendeckende Wärmeplanung, nunmehr auch für kleinere Gemeinden bis 10.000 Einwohner, eingeführt
wird. Für die Akzeptanz der Wärmepläne ist entscheidend, wie es den Ländern und Kommunen gelingt,
gemeinsam mit den Bürgern vor Ort die beste Lösung für die Umstellung auf eine klimaneutrale
Wärmeversorgung bis 2045 zu finden.
Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung darf nicht zum Bürokratiemonster werden, indem alle
Gebäude mitsamt Heiztechnik und Verbräuchen in einem Bestandskataster erfasst werden sollen. Für die
technologieoffene Umsetzung der Wärmewende in Wohngebäuden ist das nicht nötig. Schon heute ist es
möglich, anhand der bekannten Daten zu den Wohngebäuden wie Baujahr, Wohn- und Nutzfläche hinlänglich
genaue Angaben zum Energieverbrauch zu treffen und auf Basis vorliegender Bebauungspläne eine in die
Zukunft gerichtete Wärmeplanung zu erstellen. Insofern plädiert Haus & Grund dafür, die Regelungen zur
Datenerhebung und zu den Informationspflichten mit Blick auf die knappen Kapazitäten an qualifiziertem
Personal in den Planungsämtern der Städte und Gemeinden maximal zu reduzieren.
Damit die Wärmepläne am Ende nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern tatsächlich umgesetzt werden
können, müssen die Maßnahmen und Fristen des Wärmeplanungsgesetzes (WPG) mit denen der vom
Bundestag am 8. September 2023 beschlossenen Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) abgestimmt
werden. Mit dem vorliegenden Entwurf zum WPG ist dies nur in geringem Maß gelungen. Um die
Anforderungen an neue Heizungen der ab 2024 geltenden GEG-Novelle erfüllen und die vorgesehenen
Optionen tatsächlich nutzen zu können, reicht nicht allein die Vorlage einer Wärmeplanung und die
Ausweisung von Wärmeversorgungsgebieten aus. Die Wärmepläne müssen auch umgesetzt sein. Zudem
dürfen sich Planung und Ausbau nicht nur auf Wärme- oder Gas- bzw. Wasserstoffnetze beschränken.
Gleichzeitig muss der Ausbau der Stromverteilnetze durch den zunehmenden Wechsel von Gasheizungen auf strombetriebene Wärmepumpen intensiviert werden.
Haus & Grund fordert, dass neue Anforderungen an Einbau und Umrüstung von Heizungen nach dem Gebäudeenergiegesetz nur in Städten und Gemeinden Anwendung finden, in denen eine kommunale Wärme- und Energieinfrastrukturplanung vorliegt und verbindlich umgesetzt ist, sodass eine hinreichende Sicherheit für die Investitionsentscheidungen der Eigentümer, aber auch für die Wärme-, Gas- und Stromverteilnetzbetreiber besteht.
Entscheidend für den Erfolg der Wärmewende ist schließlich, dass der Um- und Ausbau der Fernwärme auf eine klimaneutrale Wärmeversorgung sowie der Neubau klimaneutraler Wärmenetze kosteneffizient erfolgt. Damit Eigentümer diese Option der Wärmeversorgung nutzen und die Zahl der angeschlossenen Gebäude deutlich steigt, müssen gleichzeitig die Verbraucherrechte von Fernwärmekunden gestärkt werden. Vor allem sind die Preise für die Verbraucher transparent und fair zu gestalten. Ein Anschluss- und Benutzungszwang darf nicht eingeführt werden und bestehende Satzungen, die diesen vorschreiben, müssen aufgehoben werden. Wärmenetze müssen durch Preis und Leistung überzeugen und nicht auf staatlichem Zwang gestützt sein.
Zu den Regelungen im Einzelnen:
1. Pflichten nach dem GEG dürfen erst nach Umsetzung der Wärmeplanung greifen
Im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung sollen Eignungsgebiete für Wärmenetze mit hinreichender Genauigkeit abgegrenzt und eine Umsetzungsstrategie bis 2045 entwickelt werden. Gleiches gilt für Wasserstoffnetzgebiete. Aber weder eine vorliegende Wärmeplanung noch die Entscheidung über die Ausweisung als Gebiet zum Neu- oder Ausbau von Wärmenetzen oder als Wasserstoffnetzausbaugebiet gemäß § 26 WPG-E ermöglichen dem Gebäudeeigentümer, den Anschluss an ein Wärme- oder Wasserstoffnetz gemäß § 71 Absatz 3 Nr. 1 und 5 des Gebäudeenergiegesetzes (GEG-neu) zu wählen. Dafür müssen weitere Voraussetzungen seitens des Wärme- oder Gasnetzbetreibers gemäß §§ 71b und 71j GEG-neu im Falle des Wärmenetzes und nach §§ 71f und 71k GEG-neu im Falle von Wasserstoff erfüllt werden, die im WPG nicht enthalten sind. Deshalb müssen bis zum tatsächlich möglichen Anschluss an ein geplantes Wärme- oder Wasserstoffnetz Übergangslösungen bei der Wärmeversorgung der Gebäude erlaubt und Ausnahmen von den gesetzlichen Vorgaben zum Mindestanteil erneuerbarer Energien ermöglicht werden.
Haus & Grund fordert, dass neue Anforderungen an den Heizungstausch nach dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) generell erst nach verbindlicher Umsetzung der Wärmepläne greifen dürfen. Die den Anschluss an ein Wärme- oder Wasserstoffnetz betreffenden Regelungen im GEG (§§ 71b, 71f, 71j und 71k) sind vollständig mit denen des Wärmeplanungsgesetzes (WPG) abzustimmen. Gleichzeitig muss die Nutzung aller infrage kommenden Technologien ohne diskriminierende Anforderungen möglich bleiben, um die Optionen zur Erreichung der Klimaziele im Gebäudesektor bis 2045 nicht einzuschränken. Darüber hinaus müssen Stromnetzbetreiber nach dem WPG verpflichtet werden, den uneingeschränkten Anschluss von Wärmepumpen an das Stromverteilnetz sicherzustellen, ohne die Nutzer übermäßig mit den Kosten zu belasten.
2. Fernwärme verbraucherfreundlich gestalten, keine Anschlusspflicht
Entscheidend für die Akzeptanz der Fernwärme und der Nutzung von Wärmenetzen ist, dass die Preise für die Verbraucher transparent und fair gestaltet werden. Satzungen, die einen Anschluss- und Benutzungszwang vorschreiben, müssen aufgehoben werden. Keinesfalls dürfen die Wärmepläne Anschluss- und Benutzungszwänge einführen. Wärmenetze müssen durch die angebotenen Preise und Leistungen überzeugen und nicht auf staatlichem Zwang gestützt sein.
Haus & Grund lehnt den Anschluss- und Benutzungszwang an ein Netz der öffentlichen Fernwärmeversorgung ab. Hierdurch werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Technologieoffenheit verletzt. Die in § 109 des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) verankerte Länderöffnungsklausel ist abzuschaffen.
3. Bürgerinnen und Bürger in die Wärmeplanung einbeziehen
Haus & Grund begrüßt, dass mit der Durchführung der flächendeckenden Wärmeplanung auch die Bürger vor Ort in den Planungs- und Strategieprozess einbezogen werden sollen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die neu geplanten erneuerbaren Wärme-, Gas- und Stromverteilnetze oder die Transformation der vorhandenen Netze erfolgreich umgesetzt werden und zu einer kostengünstigen Wärmeversorgung der angeschlossenen Gebäude beitragen können. Allerdings sollten die Fristen zur Beteiligung der Öffentlichkeit ausreichend lang bemessen werden.
Haus & Grund fordert wegen der hohen Relevanz der Wärmeplanung für die zukünftige Wärmeversorgung der Gebäude, in § 13 Absatz 4 die Frist für die Einsichtnahme auf drei Monate anzuheben und drei weitere Monate für die Abgabe der Stellungnahme zu gewähren.
Darüber hinaus ist die Beteiligung der Wohnungswirtschaft und der Verbände der privaten Eigentümer an der kommunalen Wärmeplanung nach dem Gesetz nicht verpflichtend vorgeschrieben. Die Kommunen können, müssen aber die Akteure der Wohnungswirtschaft nicht beteiligen.
Um insbesondere die Interessen der privaten Eigentümer zu wahren und deren Akzeptanz für gemeinschaftliche Wärmeversorgungslösungen zu steigern, empfiehlt Haus & Grund, eine Verpflichtung zur Beteiligung der regional tätigen Eigentümerverbände in § 7 WPG aufzunehmen.
4. Bestandsanalyse: Datenerhebung auf das notwendige Maß begrenzen
Mit Blick auf die Fristen zur Vorlage von Wärmeplänen (Großstädte ab 100.000 Einwohner bis Mitte 2026, kleinere Städte und Landkreise mit 100.000 Einwohner und weniger bis Mitte 2028) und die fehlenden Planungskapazitäten in den Städten und Gemeinden sollten für die Bestandsanalyse nur die tatsächlich für eine Wärmeplanung nötigen Daten erhoben werden. Dazu ist es nicht erforderlich adressbezogen zu erfassen, wie jeder einzelne Eigentümer sein Wohngebäude beheizt. Heizungsart, Endenergieverbrauch der letzten drei Jahre oder Dämmstandards eines Gebäudes – all diese Angaben können sich jederzeit bis zur konkreten Umsetzung ändern, sobald Eigentümer energetische Maßnahmen an ihren Gebäuden oder Heizungsanlagen vornehmen. Außerdem können im beplanten Gebiet Neubauten errichtet und alte Gebäude abgerissen werden. Daher ist auch die Auswertung von Energieausweisen oder Feuerstättenbescheiden der Bezirksschornsteinfeger nicht zielführend. Erst zum Zeitpunkt der konkreten Planung und Umsetzung eines Wärme- oder Wasserstoffnetzes werden die Angaben zum aktuellen Brennstoffverbrauch eines anzuschließenden Gebäudes relevant. Bis dahin liefern die bereits heute schon bekannten Daten zu den Wohngebäuden wie Baujahr, Wohn- und Nutzfläche hinlänglich genaue Angaben zum Energieverbrauch, mit denen anhand der vorliegenden Bebauungspläne eine in die Zukunft gerichtete Wärmeplanung erstellt werden kann.
Haus & Grund empfiehlt, die Regelungen zur Datenerhebung und -verarbeitung sowie zur Bestandsanalyse nach §§ 10 und 15 in Verbindung mit Anlage 1 WPG-E auf das notwendige Maß zu beschränken und auf die Erstellung eines Bestandskatasters zu verzichten. Insbesondere sind die in § 10 Absatz 2 und Anlage 1 Nummern 1, 2, 3 und 5b WPG-E genannten Informationen und Daten zu bestehenden Mehrfamilienhäusern und Heizungsanlagen für die Wärmplanung unerheblich, da sich die Angaben bis zum Abschluss der Wärmeplanung ändern können. Gerade durch die in Aussicht stehende staatliche Förderung und Energiepreissteigerungen werden viele Eigentümer in den kommenden Jahren in erneuerbare Heizungen und Effizienzmaßnahmen an ihren Gebäuden investieren.
5. Zwischenziele für die Umstellung der Wärmenetze auf erneuerbare Energien aufheben und mit den Fristen im GEG synchronisieren
Haus & Grund sieht die geplanten Zwischenziele als hinderlich für die Erreichung der Klimaneutralität in Wärmenetzen bis 2045 an. Bestehende Wärmenetze sollen nach § 29 Absatz 1 WPG-E bis 2030 mindestens 30 Prozent und ab 2040 mindestens 80 Prozent Wärme aus erneuerbaren Quellen oder unvermeidbarer Abwärme liefern. Neue Wärmenetze sollen gemäß § 30 Absatz 1 WPG-E bereits 2024 zu einem Anteil von 65 Prozent erneuerbare Energie/Abwärme nutzen. Diese Ziele zwingen die Netzbetreiber in teure Zwischenlösungen zu investieren und konterkarieren damit Investitions- und Wirtschaftspläne der Unternehmen. Letztendlich führen diese Zwischenziele zu Preissteigerungen bei der Wärmeversorgung der Haushalte.
Außerdem sind die Fristen nicht kompatibel mit den im neuen GEG festgelegten Übergangsregelungen. Nach § 71j GEG-neu müssen Gebäudeeigentümer zum Anschluss eines Gebäudes an ein Wärmenetz einen Vertrag zur Lieferung von mindestens 65 Prozent Wärme aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme vorweisen, auf dessen Basis er spätestens innerhalb von zehn Jahren nach Vertragsschluss, beliefert wird. Bei einem Vertragsabschluss im Jahr 2024 müsste der Wärmenetzbetreiber dem Eigentümer dann spätestens 2034 zu 65 Prozent erneuerbare Wärme liefern. Auch bei Abschluss eines solchen Vertrages in 2030 wäre der Wärmenetzbetreiber nach dem GEG erst in 2040 verpflichtet, zu 65 Prozent erneuerbare Wärme zu liefern.
Haus & Grund fordert, die Zwischenziele und -fristen gemäß §§ 29 und 30 WPG-E zu streichen. Maßgebend für die Entscheidung der Unternehmen muss das Ziel der Klimaneutralität in Wärmenetzen bis 2045 gemäß § 31 WPG-E sowie der CO2-Emissionshandel und damit die Sicherstellung einer kosteneffizienten Wärmversorgung der Haushalte sein. In einem weiteren Schritt sollen auch die Anforderungen im Gebäudeenergiegesetz dem Emissionshandel untergeordnet werden.
6. Städte und Gemeinden nicht überlasten (Änderungen im BauGB)
Mit dem Gesetzentwurf soll die Umsetzung klimapolitischer Ziele und Maßnahmen im Rahmen der Bauleitplanung erfolgen und damit die zu erfüllenden Aufgaben der Planungsverwaltung erweitert werden. Damit reiht sich der Gesetzentwurf in eine Vielzahl von gesetzgeberischen Vorhaben ein, die letztlich in der städtebaulichen Planung der Kommunen umgesetzt werden müssen. Haus & Grund sieht ein erhebliches Überforderungspotenzial für die Städte und Gemeinden in der praktischen Umsetzung all dieser Aufgaben, da den Bau- und Planungsämtern dafür nicht ausreichend qualifiziertes Personal zur Verfügung steht. Daher müssen die anstehenden Aufgaben mit einer entsprechenden Personal- und Finanzausstattung für die Kommunen versehen werden und eine angemessene Priorisierung der unterschiedlichen planerischen Anforderungen erfolgen.
7. Bürger entlasten: CO2-Preis erstatten
Um die Klimaziele sicher und effizient zu erreichen, plädiert Haus & Grund für
- einen sektorübergreifenden europaweiten Emissionshandel,
- eine vollständige Rückgabe der CO2-Staatseinnahmen an die Bürger in Form einer sozial gerechten Kopfpauschale (Klimageld),
- eine wirksame Förderung klimaschützender Maßnahmen an Gebäuden sowie
- den Verzicht auf konkurrierende und damit ineffiziente ordnungsrechtliche Vorgaben.